DER GROSS(artig)E INDIENSCHWINDEL
Ja, dieses Buch ist groß! Groß und großartig!
Zum Einen aufgrund des besonderen Formats von 25 cm x 35 cm. Zum Anderen
aufgrund der irrsinigen Geschichte von Alain Ayroles und ihrer künstlerischen
Umsetzung durch Juanjo Guarnido (ja, genau, dem Schöpfer von BLACKSAD). Um was genau geht es?
Es ist die Zeit der spanischen Konquistadoren. Wir begleiten die Hauptfigur Don Pablos aus Sevilla, einen wenig vertrauenswürdigen, aber sympathischen Spitzbuben, der aus seinem bewegten Leben in Spanien aber auch in dem Teil der Welt erzählt, den alle damals noch für Indien hielten.
Mal versunken im Elend, mal überaus reich, mal verachtet und dann wieder verehrt, führen ihn seine unglaublichen Abenteuer aus der Gosse seiner Heimatstadt in Paläste, von den Gipfeln der Anden in die sumpfigen Niederungen des Amazonas und schließlich zu jenem mythischen Ort, an dem alle Träume der Neuen Welt zusammenlaufen: Nach Eldorado, der Stadt des Goldes!
Angeblich handelt es sich um die fiktive Fortsetzung des real existierenden, im frühen 17 Jahrhundert erschienen Schelmenromans zu "Leben und Abenteuer des weitbeschrieenen Glücksritters Don Pablos aus Sergowia usw. usw...." (und ja: der Titel ist solang). Allein schon diese Idee verknüpft Wahrheit mit Dichtung. Und in diesem Buch ist nichts, wie es auf den ersten Blick scheint.
Wer immer sich diesen Charakter ausgedacht hat, muss Kevin Kline, den amerikanischen Schauspieler aus "Ein Fisch namens Wanda", "Dave" oder "Der Weg nach El Dorado" vor Augen gehabt haben.
Insbesondere dieser letzte Film aus dem Jahr 2000 (DreamWorks Pictures) weist
Parallelen auf, die vermuten lassen, aus welcher Ecke die Autoren sich ihre Inspiration
geholt haben (auch wenn sie nicht auf der
Crew-Liste
des Films zu finden sind). Die
Characterdesign-Referenzen
zum Film sprechen eine klare Sprache. Ein Schelm also, wer Böses dabei denkt.
Aber man kann Geschichten bekanntlich ja auf unterschiedlichste Weise
erzählen. Und? Haben Ayroles und Guarnido es gut gemacht?
Eindeutig ja: Die Motivation unseres Don Pablos lässt sich zu jedem Zeitpunkt nachvollziehen. Er ist ein Schlitzohr wie er im Buche steht und stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Überleben! Das ist es, was in seiner Welt zählt. In der Welt, in der die Anderen nicht nur am längeren sondern am langen Hebel sitzen. Aber auch die übrigen Charaktere, denen wir im Laufe der Handlung begegnen, sind stimmig. Wer hier wer ist und welche Rolle er in diesem Schelmenstück spielt, ist immer eindeutig. Die Charaktere sind klar herausgearbeitet.
Die Geschichte selbst ist verstrickt, schlägt einige Haken - aber niemals so
dass sich der Leser darin verirrt - und erklärt sich ganz zum Schluss mit
mindestens einem lauten "AHA!" unsererseits. Und dann gibt es da ja auch noch das Bild "Las
Meninas" von Diego Velasquez, dass als eines seiner berühnmtesten und
durchkomponiertesten Bilder gilt. Sogar hier bringen die Autoren unseren Don Pablos unter. Oder zumindest in der Nähe.
Sowohl Ayroles als auch Guarnido sind viel beschäftigte Künstler. Um ein solches Buch zu erstellen braucht es Zeit. Man merkt
dem Buch auch an, dass sie sich dafür diese Zeit genommen haben. Viel Zeit. Alles in
allem etwa 10 Jahre. Die Zeichnungen sind wunderbar detailliert, die
Kolorierung abwechslungsreich und entsprechend der jeweiligen Situation stimmungsvoll. Man merkt, hier waren
Könner mit Liebe zum Detail am Werk.
Das Buch ist ein wahr gewordener Traum für alle Comic-Liebhaber und schon
heute ein moderner Klassiker. Und wenn es einen Comic gibt, der die
Bezeichnung Graphic Novel - und Lieblingsbuch! - verdient hat, dann ist es dieser "große
Indienschwindel",
Und trotz allem gibt es einen Nachteil, natürlich - einen großen! Wie könnte es auch anders sein? Leider. Na ja, und welchen? Nun, ganz einfach:
Man wird diese wunderbare Geschichte nach dem ersten Mal NIE
WIEDER zum allerersten Mal lesen können. Und DAS ist wirklich schade.
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